„Freut euch und jubelt!“            

 Online Andacht zum Sonntag Lätare am 22.3.2020

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
das Landeskirchenamt schrieb in einer Mail vom vergangenen Donnerstag:

„Wir erleben derzeit eine extreme Ausnahmesituation, die allen viel abverlangt. Der Staat versucht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dabei unterstützen wir ihn nach Kräften, auch wenn das mitunter Maßnahmen von uns fordert, die für unsere Kirche nur schwer auszuhalten sind. So zum Beispiel, dass wir derzeit keine Gottesdienste gemeinsam in Kirchen feiern können. Das trifft mitten ins protestantische Herz.“

Ja es stimmt: Das Coronavirus trifft mitten ins protestantische Herz, denn es schafft, was Naziterror und Kriegswirren nicht geschafft haben: Gottesdienste sind landesweit untersagt, Beerdigungen dürfen nur noch eingeschränkt begangen werden, Gemeindeversammlungen sind verboten. Die Konfirmationen müssen in den Herbst verschoben werden, so manche für den Mai geplante Trauung wird nicht stattfinden können.

Das gesamte kirchliche Leben - evangelisch wie katholisch - ist aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung stark eingeschränkt, genauso wie das öffentliche Leben an sich.

In Anbetracht dieser bislang größten Herausforderung für das Gemeinwesen der Bundesrepublik haben Pessimisten und Weltverschwörungstheoretiker Hochkonjunktur.

Die einen erklären uns, dass dieses Virus entweder von Amazon (alle bestellen jetzt nur noch online!), den Papierfabriken (die wollen Klopapier verkaufen!) Netflix (die Aktie steigt seit Ausbruch der Krise unentwegt!) Google (die wollen unsere Gesundheitsdaten!) oder den Politikern (sie wollen unsere Freiheit beschränken) verursacht wurde.

Die anderen sehen die Krise gleichsam als Ende der Welt und unserer freiheitlichen Gesellschaft. Ein Ende sei nicht in Sicht - und wenn, dann sei das Ende gewiss schrecklich.

 Beiden Gruppierungen, Weltverschwören und Pessimisten,  sei ein Blick in die Bibel angeraten,  denn der Predigttext für den Sonntag „Lätare“ lehrt uns das Gegenteil ihrer Sicht auf die Krise. In Jesaja 66, 10 - 14 heißt es:

„Freut euch mit der Zionsstadt Jerusalem, jubelt über ihr Glück, ihr alle, die ihr sie liebt und denen ihr Leid zu Herzen geht!

Sie wird euch teilgeben an der Fülle ihrer Herrlichkeit; ihr werdet an ihrer Mutterbrust saugen und mit Glück gesättigt werden.

Ich, der HERR, verspreche: Ich schenke der Zionsstadt Frieden und Wohlstand; der Reichtum der Völker wird ihr zufließen wie ein nie versiegender Strom. Ihr werdet an ihren Brüsten saugen, ihr werdet euch fühlen wie Kinder, die auf dem Arm getragen und auf den Knien gewiegt werden.

 Ich werde euch trösten, wie eine Mutter tröstet. Das Glück Jerusalems wird euch glücklich machen.

Wenn ihr das erlebt, werdet ihr voll Freude sein; neuer Lebensmut wird in euch erwachen, so wie im Frühling das frische Grün sprosst.“

„Freut euch und jubelt“ rät der Prophet seinen Hörern, denn er hat erlebt, dass das  Leid ein Ende gefunden hat. Nach Jahrzehnten der Sehnsucht, der Not und  des Pessimismus ist Israel aus der Verbannung an den Ort seiner Sehnsucht zurückgekehrt, endlich ist das Volk wieder in Jerusalem und feiert dort seinen Gott. Allen Unkenrufen zum Trotz ist alles wieder gut geworden - auch wenn es fünf Jahrzehnte ganz anders aussah: Jetzt herrscht wieder Normalität, die Trauer über den verlorene gegangene Heimat ist vergessen, Hoffnung keimt auf wie frisches Gras, das im Frühling wächst.

Davor jedoch lagen schwierige, entbehrungsreiche Jahre, in denen die Rufe der Pessimisten immer lauter wurden und in denen die Weltverschwörer von damals alles erklärten.

Mit der Rückkehr nach Jerusalem aber heißt es „Freut euch und jubelt“. Die Pessimisten haben doch nicht Recht behalten. Hoffnung keimt auf, die Not hat ein Ende, Normalität herrscht - Gott sei Dank dafür!

Gewiss, es liegen sorgenvolle Tage und Wochen vor uns. Nichts ist mehr so wie noch in der Woche zuvor, Die Normalität des Alltags schwindet von Tag zu Tag. Vielleicht wird unser gewohnter Tagesablauf noch weitaus mehr eingeschränkt werden müssen. Doch eines ist gewiss: Wir werden das Leben in seiner Fülle neu entdecken; am Ende wird es heißen: „Wenn ihr das erlebt, werdet ihr voll Freude sein; neuer Lebensmut wird in euch erwachen, so wie im Frühling das frische Grün sprosst.«

Gott segne und beschütze Sie alle in diesen ungewissen Tagen

Ihr Schulpfarrer Ralf Herbertz