Text Andacht                     

Andacht zum Donnerstag Christi Himmelfahrt am 21.5.2020
Gedanken zu Apg 1, 3-11 

Liebe Gemeinde,

meistens sind es die stark beschworenen Dinge, die man in der Wirklichkeit eher schmerzlich vermisst. Eine solche Sache ist die Einheit.

Wie sehr wünschen sich Menschen Einheit in Form von Einigkeit und Verbundenheit. Sicher am allermeisten im engsten Umfeld. „Wir sind doch eine Familie“. Diesen Satz kenne ich als empörten Appell, wenn ein Familienmitglied das Gefühl hat, man kümmere sich nicht genug um einander. Denn das gehört zur Einheit: dass man füreinander da ist und auch nach außen füreinander einsteht. Zu mindestens in Notsituationen, wenn es darauf ankommt.

Einheit setzt Nähe voraus. „Da passt kein Blatt Papier dazwischen“, diese Redensart hörte ich kürzlich wieder einmal. Das bedeutet, diese Zwei, die sind unzertrennlich. Im Grunde fast eins. Man kann man sie nicht auseinander dividieren.

Dies, liebe Zuhörer, sind nur einige Gedanken darüber, was das bedeutet: Einheit, zusammen gehören, ganz eng verbunden sein …
Vielleicht melden sich bei Ihnen, wenn sie diese Gedanken hören, Erinnerungen, wo Sie etwas Derartiges erlebt haben:
Eine Freundschaft in der Kinderzeit oder Jugend.
Eine Liebe – die sich nach Ewigkeit anfühlte.
Die Ehe der alten Eltern; zwei Menschen, wie zusammen gewachsene Bäume.

Allerdings vermute ich:  So eine ungebrochene Einheit ist nicht die Regel in unserer Lebenserfahrung. Denn wir sind nicht im Paradies und das Leben ist voller Brüche und Verluste.

Die Freundin aus Kindertagen, mit der wir stundenlang Hand in Hand Geschichten hören konnten, ist wahrscheinlich längst abhandengekommen und verschollen. 

Die große Liebe wurde schal und der Partner fremd.

Das Beispiel der alten Eltern hat man irgendwie nicht nachmachen können.

Was aber bleibt, ist die Sehnsucht nach einer so vertrauensvollen Nähe und Gegenseitigkeit. Ich glaube sie steckt in uns allen: Einmal ankommen. Einmal zuhause sein. Ungetrennt.

Aber – jetzt wird es höchste Zeit für die Frage: Was hat das alles eigentlich mit Himmelfahrt zu tun?

Die Antwort ist:  Die Spannung zwischen Nähe und Ferne, zwischen Verbundenheit und Getrenntsein, zwischen Ankommen und Verlieren – das Aushalten dieser Gegensätze ist eigentlich das Grundthema der Himmelfahrtserzählung.

Da haben die Jünger Jesus mit dem Osterereignis wiederbekommen. Es war das volle, pralle Leben. Der Auferstandene hat in ihrer Mitte gelebt, hat sie gelehrt, hat mit ihnen gegessen. Er ist ihnen so nah gewesen, alles war gut. Und dann entschwindet er in eine unerreichbare Ferne.

Dies ist die Geschichte einer Trennung. Die Zeit der ganz handgreiflich gelebten engen Freundschaft, wie die Jünger sie offensichtlich mit Jesus hatten, bricht ab. Und es geht ihnen genauso, wie es uns geht, wenn wir jemanden verlieren, der ganz unmittelbar zu uns gehört. Wir spüren nur den großen Verlust.

Das Wunderbare an Himmelfahrt ist:  In der Geschichte öffnet sich, -  wie der Himmel, der Jesus aufnimmt - auch ein Fenster in die Zukunft. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und werdet meine Zeugen sein“, sagt Jesus vor seinem Entschwinden.

Der Platz, den er hinterlässt, wird nicht leer bleiben. Die Jünger werden ihn mit seiner Kraft, mit Gottes Kraft ausfüllen. Sie werden sein Mund, seine Hände, seine Augen und Ohren sein. Sie werden sein Wort weitersagen. Und das – diese Form der Einheit, der Identifikation - geht bis heute, reicht bis zu uns hin.

Und da ist es vorbei mit Trennung und Trauer. Jetzt ereignet sich eine Geschichte der Verbindung.  Von Christus zu uns, dazwischen unzählige Menschen aller Zeiten.                      So kann man vielleicht auch am besten erklären, was das ist, Gottes Geist: Es ist Gottes unbändige Kraft der Verbindung mit jeder Seele, mit jedem Teil der Schöpfung

Durch sie – die Kraft seines Geistes – sind wir verbunden auch dann, wenn es schlimme Brüche gab.

Und durch sie  - die Kraft seines Geistes – können Wunden heilen, kann Feindschaft überwunden werden, können Menschen Krisen und die Erfahrung von Fremdheit und Verlorenheit durchstehen.

Und durch sie – die Kraft seines Geistes – können wir Jesus nah sein, seine Worte erfassen und die Erfahrung machen, dass sie sich ganz frisch anfühlen, obwohl es so alte Worte sind.

Ebenso wenig wie die Jünger damals allein gelassen waren, sind wir es heute. Denn Christus ist auf eine ganz starke Weise da, bei uns und mit uns verbunden. Sein Geist bringt uns in Bewegung, er will, dass wir Ja sagen zum Leben, zu den aktuellen Aufgaben und auch zu uns selbst als Person.

Es ist das Stück Himmel in uns, das uns Ja sagen lässt, auch wenn wir sehen, was alles ungewiss ist. Von Gott geschenkte himmlische Kraft für das Leben auf dieser Erde!

Ich wünsche Ihnen ganz viel Himmelslicht und Gottesnähe

und einen gesegneten Himmelfahrtstag 2020

Ihre Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul