Text Andacht                     

Andacht zum 2. Sonntag nach Trinitatis am 21.6.2020
„Kirche - Versammlung der Mühseligen und Beladenen?“

Guten Tag, ich bin Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul aus Kerpen.

Es freut mich, dass Sie sich für meine Gedanken zum 2. Sonntag der Trinitatiszeit interessieren!

Da sagt ein Schleswig-Holsteiner Bauer zum anderen: „Hast du schon gehört: der Klaas Hinrichsen war gestern in der Kirche!“. Antwort: „Wirklich? Welches Unglück ist ihm denn zugestoßen?“

Diese Anekdote hört ich einmal als ich noch im Norden lebte. Sie zeigt einen Blick auf Kirche, der durchaus verbreitet ist: In den Sonntagsgottesdienst gehen nur Leute, die in Not sind oder Probleme haben. Das sind Alte und Einsame, Menschen mit psychischen Problemen und ansonsten noch ein paar ganz besonders Fromme. Irgendeinen Knall muss man ja haben, wenn es einen in dahin zieht.

Konfirmandinnen und Konfirmanden mal ausgenommen, denn: die müssen ja.

Für dieses Bild von Kirche gibt es eine bekannte Redewendung: „Die Versammlung der Mühseligen und Beladenen.“ Wer das so sagt, meint im Umkehrschluss, dass der normal gesunde und lebenstüchtige Mensch weder die Kirche im Allgemeinen noch den Gottesdienst im Besonderen braucht.

Ich halte das für einen Irrtum. Natürlich, ich bin ja Kirchgängerin, nicht nur beruflich! Und ich glaube: der Gang zur Kirche tut gut und das nicht nur mir.

Dabei kann ich dem Gedanken sogar zustimmen, dass wir als Mühselige und Beladene in die Kirche kommen. Denn als solche lädt Jesus uns auch ein. Im Predigttext für heute sagt er: „Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken!“. Dieser Satz wird auch „Der Heilandsruf“ genannt und steht im Matthäusevangelium in Kapitel 11, Vers 28.

Die angeredete Gruppe ist kein kleiner Kreis. Wer denkt, „dazu gehöre ich auf keinen Fall, und bei Gott Trost und Hilfe suchen, das brauchen nur andere.“, der täuscht sich.

Hand aufs Herz: Wer ist denn nur stark? Wer ist nur schwungvoll und kraftvoll? Ich kenne niemanden, der bruchlos durchs Leben geht. Ich kenne keinen, der nicht mal Grund hätte zu klagen oder sich unsicher zu fühlen.

Es gibt kein bürdeloses Leben. Aber es gibt ein würdeloses Leben. Wenn jemand andere verachtet, weil sie hilflos sind und Schwäche zeigen, dann entwürdigt er diese Menschen – und verliert dabei unversehens auch ein Stück seiner eigenen Würde. Die liegt nämlich, wie wir beim barmherzigen Samariter sehen können, im Respekt, im Mitgefühl und in der Hilfsbereitschaft.

Interessanterweise gilt das auch für den Umgang mit uns selbst: Indem ich meine ungeliebten Schattenseiten akzeptiere, werde ich ‚liebenswürdiger‘ auch für andere. In den Jesusgeschichten ist das ehrliche Eingeständnis einer Bedürftigkeit oft der Weg, auf dem Heilung stattfindet. „Ich bin nicht wert, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“, so spricht ein Zöllner als Jesus ihm seinen Besuch ankündigt. Der mächtige und gefürchtete Steuereinnehmer wird wieder menschlich.

Am menschlich Sein hindern uns falsche Ansprüche: Perfekt sein und alles alleine schaffen. - Selbstoptimierung und Autonomie sind die Maximen unserer Gegenwart. Die Erfahrung lehrt: es sind gnadenlose Maximen. Wirklich stark ist was anderes!

Ich bin froh, dass es die Kirche gibt als Ort der Gnade. Wer hingeht, kann die eigenen Belastungen vielleicht überhaupt erstmal spüren: Alles was einen traurig macht. Was wie ein Stachel im Herzen steckt. Armut und Schwäche. Was quält und blockiert. In der Kirche kann ich es bei Gott ablegen. Oft treffe ich da auf Menschen mit offenen Ohren für den andern. Was einem Sorgen macht, trägt sich zusammen leichter.

Wenn solche Dinge in der sogenannten Gemeinschaft der „Mühseligen und Beladenen“ möglich sind, dann kann ich nur sagen: Kommen Sie in die Kirche. Hier dazu zu gehören, das befreit! Glücklich, wer die Einladung annimmt!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche!

Ihre Almuth Koch-Torjuul