Denk mal! Im Oktober 2001...

Liebe Gemeinde,

gespenstisch ist das Lodern der Scheiterhaufen, gewaltig das Opfer. Ab und weg in die Flammen mit dem, was als wertlos erachtet wird. Es muss brennen. Was werden solche Bilder erst mit Kindern anstellen, wenn sie schon uns Ältere nicht gleichgültig lassen können? Wem dabei nicht nur kurzfristig der Appetit vergeht, dem wird sich die Einstellung langfristig

ndern. Auf diese Weise mag die Krise auch die Chance des Umdenkens - in Kirchensprache: der Buße - mit sich bringen. Wir erkennen: Tausendfach birgt die Wachstumsideologie den Tod im Topf

Die Passion, die das Mitgeschöpf durch die ,, Krone der Schöpfüng" erduldet, ist unendlich. ,,Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein, um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns Menschen zu vergelten." (Christian Morgenstern)

,,Quäle nie ein Tier zum Scherz..." haben wir als Kinder gelernt. Das Tier kennt Schmerz, Angst und Freude. Auch in diesen Gefühlen ist es uns verwandt und ganz nah. Die Bibel sagt, es wohnt ebenso wie dem Menschen aller Kreatur die Sehnsucht nach Erlösung inne (vgl. Röm. 8, 18 if), mit anderen Worten: Das Reich Gottes ist auch für die Tiere da. Haben also auch Hunde, Katzen, Mäuse oder Kühe, Schafe, Schweine Anteil am Himmel, am ewigen Leben? Gewiss, das ist ein ungewohnter, aber nicht minder wahrer Gedanke.

Albert Schweitzer hat für ein gelingendes Miteinander der Geschöpfe den Begriff ,,Ehrfurcht vor dem Leben" geprägt. Eine Erzählung aus seiner Kindheit und Jugendzeit illustriert, was er darunter versteht:

,,Einen tiefen Eindruck machte mir ein Erlebnis aus meinem siebenten oder achten Jahre. Heinrich Bräsch und ich hatten uns Schleudern aus Gummischnüren gemacht, mit denen man kleine Steine schleuderte. An einem Sonntagmorgen sagte er zu mir:

,,Komm' jetzt gehen wir in den Rehberg und schießen Vögel. ,,Dieser Vorschlag war mir schrecklich, aber ich wagte nicht zu widersprechen, aus Angst, er könnte mich auslachen. So kamen wir in die Nahe eines kahlen Baumes, auf dem die Vögel, ohne sich vor uns zu fürchten, lieblich in den Morgen hinaussangen.Sick wie ein jagender Indianer duckend, legte mein Begleiter einen Kiesel das Leder seiner Schleuder und spannte dieselbe. Seinem gebieterischen Blick gehorchend, tat ich unter furchtbaren Gewissensbissen dasselbe, mir fest gelobend, daneben zu schießen.

In demselben Augenblick fingen die Kirchenglocken an, in den  Sonnenschein und in den Gesang der Vögel hineinzuläuten. Es war  das ,, Zeichenläuten", das dem Hauptläuten eine  halbe  Stunde voranging. Für mich war es eine Stimme aus dem Himmel. Ich tat die Schleuder weg, scheuchte die Vögel auf  dass sie wegfiogen und vor der Schleuder meines Begleiters sicher waren, und floh nach Hause.  Und immer wieder, wenn die Glocken der Passionszeit in Sonnenschein und kahle Bäume hinausklingen, denke ich ergriffen und dankbar daran, dass sie mir damals das Gebot: "Du sollst nicht töten," ins Herz geläutet haben.

Die "Ehrfurcht vor dem Leben" ist eine Eingebung, die in Gottes Gebot gründet. Sie beinhaltet Achtung, Wertschätzung, Verantwortung, ja Sorge für alles Leben.

Also, ab und weg mit dem überflüssigen, unnützen Tod!

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Auferstehungsfest.

Ihr Pfarrer Lutz Hustig